Tiefe Einblicke in die Welt des MOSAIK

Ende 1955 erschien mit dem ersten MOSAIK-Heft von Hannes Hegen eine Zeitschrift, deren Helden Dig, Dag und Digedag ihre Leser fast 20 Jahre lang in das alte Rom, in den Orient, in den Wilden Westen, ins Mittelalter – wo sie als Knappen den Ritter Runkel auf seinen haarsträubenden Abenteuer begleiteten – und sogar in entfernte Galaxien entführten. Die Bildergeschichten der Digedags verließen die enge Welt der DDR und schlugen der staatlichen Zensur immer wieder Schnippchen. Auch 43 Jahre, nachdem das letzte MOSAIK-Heft von Hannes Hegen erschienen war, sind die Bildergeschichten noch fest im kollektiven Gedächtnis der Generation 50-Plus verwurzelt.

Dem Phänomen der MOSAIK-Hefte und ihrem Schöpfer Hannes Hegen, der eigentlich Johannes Hegenbarth hieß, ist der Kulturwissenschaftler Bernd Lindner auf dem Grund gegangen. Er lernte den Zeichner 2009 kennen, führte mit ihm viele Gespräche und schrieb darauf basierend eine von Hegenbarth autorisierte Biografie. Am Donnerstagabend stellte Lindner die Biografie in der Greizer Bibliothek vor und gab tiefe Einblicke in die Welt des MOSAIKs.

Die Besucher des bis auf den letzten Platz gefüllten Dachgeschosses des Hauses erfuhren zahlreiche Fakten mit vielen Details aus dem Leben Hegenbarths und der Geschichte seines Schaffens. Geboren 1925 in Böhmisch Kamnitz, dem heutigen Ceska Kamenice, als Sohn einer Glasmacherfamilie, kam Hegenbarth nach dem Krieg über das Thüringische Ilmenau und die Kunstgewerbeschule Leipzig 1961 nach Berlin, wo er als selbstständiger Künstler Karikaturen für den „Ulenspiegel“ die NBI, die „Wochenpost“ und das „Magazin“ zeichnete. „Mit dem Rumpelmännchen, das Kinder zum Altstoffsammeln motivieren sollte, schuf Hegenbarth 1953 seine erste Comic-Figur“, berichtet Lindner und zeigt das Bild des Kobolds, dass viele Jahre an den Sero-Annahmestellen hing und an das sich viele Zuhörer seines Vortags erinnern. „Hegen, wie er sich ab da nannte, hatte das Gefühl, dass sich aus der Figur des lustigen Kobolds mehr machen lässt und formte aus ihr drei lustige Gestalten“, so Lindner. Die Urform der Digedags war geboren.

Die hatten ihren ersten Auftritt im Dezember 1955 im Heft 1 der MOSAIK-Serie von Hannes Hegen. Nach 223 Ausgaben verschwanden die Digedags im Juni 1975 im Schlussbild des letzten Heftes in der Fata Morgana einer Stadt, die der Orient-Silhouette von der Titelseite des ersten Heftes 20 Jahre zuvor ähnelte.

Monat für Monat hatten Hegen und seine Mitarbeiter neue Hefte herausgebracht. Ermattung machte sich breit. „So wollte er nicht bis zur Rente weiter arbeiten“, weiß Linder, „auch drohte sich sein Team altersbedingt auszudünnen.“ Deshalb kündigte Hegen seinen Vertrag mit dem Verlag „Junge Welt“ zum 1. Juli 1975 und schlug vor, jährlich nur noch sechs Hefte herauszubringen. Das wurde ignoriert und der Verlag nutzte die Chance, Hegen loszuwerden. Hinter seinem Rücken wurden seine Mitarbeiter abgeworben und eine Weiterführung des MOSAIKs ohne ihn angeschoben. Allerdings besaß Hannes Hegen die Urheberrechte an den Figuren der Digedags. „Die wollte ihm der Verlag für eine Million DDR-Mark abkaufen“, weiß Bernd Lindner. Doch Hegen weigerte sich. So veröffentlichte der Verlag ab Januar 1976 das neue MOSAIK mit den Abrafaxen als Nachfolger der Digedags. Die waren für den Zeichner ein Plagiat seiner Figuren und er verklagte den Verlag. Damit erhob er auch Klage gegen dessen Eigentümer, den Zentralrat der FDJ, er dem ZK der SED unterstand. Die Staatsführung wollte angesichts der massiven Proteste gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann in jenem Jahr einen neuen Skandal vermeiden und bot Hegenbarth einen Kompromiss an, den dieser annahm. Der Zeichner konnte die Amerika-Serie in Sammelbänden und die Ritter Runkel-Geschichte durch Rollfilme verwerten.

Die Enttäuschung, dass ihn seine Mitarbeiter verlassen hatten, saß bei Johannes Hegenbarth bis zu seinem Lebensende tief, er starb am 8. November 2014. Sein Werk aber lebt weiter. Nicht nur in seinen knapp 20.000 MOSAIK-Zeichnungen, sondern auch in seinen über 20.000 anderen Blättern, die er alle 2009 dem Zeitgeschichtlichem Forum Leipzig übergab. Exponate davon waren seitdem in zahlreichen Ausstellungen zu sehen. „An seinem fünften Todestag wurden vor Hegenbarths ehemaliger Wohn- und Arbeitsstätte in der Berliner Waldowallee 15 eine Gedenkstele eingeweiht und seit 2021 trägt der kleine Platz gegenüber den Namen der Digedags“, weiß der Kulturhistoriker Lindner abschließend zu berichten.

Mehr Info: www.digedags.de und www.hannes-hegen.de.

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