Vom 13. Juli bis zum 27. September im Unteren Schloss
Sonderschau „Papier ist geduldig – Vom Lumpensammler zur Papierfabrik Greiz“
Die Papierfabrik Greiz und deren Eigentümer prägten die Stadt, was zwar noch im Stadtbild durch die Bauwerke und kulturellen Vermächtnisse erlebbar ist, aber die Personen sowie deren Mut, Verantwortung, Engagement, Unternehmergeist, Erfindungsreichtum sowie Mäzenatentum verschwimmen allzu oft im Nebel der vergessenen Geschichte.
Die neue Sonderausstellung der Museen der Schloss- und Residenzstadt in den Räumlichkeiten des Museums im Unteren Schloss widmet sich diesen Persönlichkeiten der Greizer Wirtschaftsgeschichte, zumal die Papierfabrik Greiz die älteste, noch produzierende, Papiermühle in Thüringen ist.
Anlass für diese Ausstellung bildet eine Schenkung von zwölf Ahnenporträts der Familie Günther, die Dr. Klaus Otto Günther den Museen der Schloss- und Residenzstadt Greiz übergab. Im Rahmen dieser Ausstellung werden sie erstmals öffentlich präsentiert. Außerdem wurde in diesem Kontext ein umfangreiches Konvolut von Archivalien aus dem Privatbesitz der Familie Günther nach Greiz überführt, gesichert und für zukünftige Forschungsprojekte vorbereitet. Möglich wurde dies durch die Zusammenarbeit des Museums Fockendorf, den Museen der Schloss- und Residenzstadt Greiz und dem Landesarchiv Thüringen-Staatsarchiv Greiz. Dem gemeinsamen Engagement ist es zu verdanken, dass dieses kulturelle Erbe zukünftig in Greiz der Öffentlichkeit für regional- und wirtschaftsgeschichtliche Fragestellungen zur Verfügung steht und für künftige Generationen gesichert wird.
Geduldig-zeitloses Gedächtnis der Kulturgeschichte
In der sich verändernden, digitalisierten Welt gerät der alltägliche Umgang mit Materialien, die unsere Kulturgeschichte wesentlich prägten, zunehmend in Vergessenheit. Kulturgeschichtliche Selbstverständlichkeiten und Meilensteine, wie der Buchdruck oder die Papierherstellung prägten maßgeblich die geistige und künstlerische Entwicklung vieler Generationen.
Greizer Papierfabrik ist die älteste noch produzierende Papiermühle in Thüringen
Hans Rot begann 1589 vor den Stadtmauern von Greiz eine Papiermühle zu errichten. Am 8. März 1591 erhielt er von den Herren Reuss Aelterer Linie das Privileg zum Betrieb einer Papiermühle im Aubachtal, verbunden mit dem Recht der ausschließlichen Berechtigung in den reußischen Gebieten Lumpen zu sammeln. 1591 stellt somit den Beginn der Papierherstellung in Greiz dar.
In 434 Jahren entwickelte sich die Papiermühle zur Papierfabrik, überstand viele Krisen sowie politische Veränderungen und produziert bis heute. Somit ist die Papierfabrik Greiz die älteste, noch produzierende, Papiermühle in Thüringen. In der Folgezeit wechselten öfter die Eigentümer, was sich am 3. Oktober 1634 änderte, denn der aus Langenwetzendorf stammende Papiermacher Valentin Tischendorf erwarb die Papiermühle im Aubachtal und verlegte den Standort an die Mündung der Göltzsch in die Weiße Elster und behielt sie bis 1808 im Familienbesitz.
Am 17. Februar 1808 erwarb Christian Friedrich August Günther diese Papiermühle und begründete damit eine Familientradition, die erst nach 140 Jahren aus politischen Gründen beendet werden sollte. Die Ausstellung folgt der generationsübergreifenden Familientradition, würdigt die Verdienste der Familie Günther und verdeutlicht damit, wie eng soziale, kulturelle, politische und wirtschaftliche Verantwortungen bezüglich der Kultur- und Wirtschaftsentwicklung der Stadt Greiz miteinander vernetzt sind.
Frauenpower im 19. Jahrhundert
Nach dem Tod ihres Mannes, im Jahre 1885, lenkte Julie Sophie Günther die Geschicke der Papierfabrik Greiz als Alleinbesitzerin bis zur Volljährigkeit ihrer Söhne – sie gab diese Führungsposition erst zum Jahresende 1901 an ihren Sohn Felix Reinhold Günther ab.
Der Vater des Krepppapiers
In Greiz ist noch heute das Wirken von Felix Reinhold Günther erlebbar. Es sind nicht nur die Bauten der Papierfabrik, der Werkssiedlung „Günthersfeld“ oder die Ruinen des „Günthershofes“, welche die einstige wirtschaftliche Blüte dokumentieren, sondern es ist vielmehr sein soziales und kulturelles Engagement für seine Heimatstadt. Seinem Engagement verdanken die Museen der Schloss- und Residenzstadt Greiz die Existenz des ehemaligen Reußischen Heimatmuseums im Unteren Residenzschloss sowie die großzügige Erweiterung des einzigartigen Sammlungsbestandes zur reußischen Geschichte.
So erwarb Felix Reinhold Günther für das geplante Museum eine der umfangreichsten Münzsammlungen des Reußenlandes. Er war bei diesem ehrgeizigen Museumprojekt Mitinitiator, Mäzen und Förderer. Außerdem sorgte er dafür, dass das Reußische Heimatmuseum für die Konzeption, Gestaltung sowie zur Eröffnung 1929 eine Museumsdirektorin bekam. Hanna Stirnemann war die erste Museumsdirektorin in Deutschland.
Der „Fürst von Irchwitz“?
Mit dem Bau von Betriebswohnungen und -häusern, eines Firmen-Kindergartens – um Ehepaaren und Frauen die Arbeit in der Papierfabrik zu ermöglichen -, der Altersversorgung langjähriger Mitarbeiter sowie der Versorgung im Krankheitsfall gingen er weit über die sozialen Standards der damaligen Zeit hinaus: 1902 gründete Felix Günther eine Fabrikkrankenkasse und eine Fabrikspeiseanstalt. 1903 wurde der Belegschaft ein Fabrikbad eingerichtet, für deren regelmäßige Benutzung Prämien ausgesetzt wurden!
Übertarifliche Urlaubsregelungen und Lebensversicherungen nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit waren ebenso Bestandteil der Firmenpolitik wie feste Geldgeschenke bei Heiraten und Geburten. Kinderreiche Familien erhielten eine Brotzulage. Alle Betriebsangehörigen erhielten eine Weihnachtsgratifikation, deren Höhe sich nach dem jeweiligen betrieblichen Gewinn und der Beschäftigungsdauer richtete. Für alle Arbeiterkinder wurde eine gemeinsame Weihnachtsbescherung ausgerichtet.
Im Jahre 1908 begann der Bau der ersten Häuser in der Werkssiedlung „Günthersfeld“. Es wurden insgesamt 15 Häuser mit 50 Betriebswohnungen für Betriebsangehörige errichtet. 1911 wurde ein Betriebskindergarten, das „Margarethenheim“, eröffnet – Betriebsangehörige der Papierfabrik Greiz konnten ihre Kinder während der Arbeitszeit betreuen lassen. 1926 verlegte Felix Günther auch seinen Wohnsitz aus dem Fabrikgelände in diese Werkssiedlung. Er nannte sein beträchtliches Anwesen mit Villa „Günthershof“.
Die Ausstellung geht auch auf die Zeit des Nationalsozialismus, seine Parteizugehörigkeit, Gerichtsverhandlung mit Freispruch, Gerichtsverhandlung mit Verurteilung und anschließender Enteignung im Jahre 1948 ein.
Besonders hervorzuheben ist, dass die Strafkammer des Landgerichts Gera 1994 das Urteil gegen Felix Reinhold Günther vom 14. Juli 1948 für rechtswidrig erklärt und aufgehoben hat. Leider konnte er die Aufhebung dieses Unrechts nicht mehr erleben – er verstarb am 8. Februar 1952. Die Rehabilitations-Urkunde legten die Enkel mit in sein Grab in Greiz.
Ab den 1. Juni 1948 wurde die Enteignung rechtskräftig – in dessen Folge die öffentliche Wahrnehmung durch die Umbenennung in VEB Papierfabrik Greiz viele Jahrzehnte geprägte wurde und in lebendiger Erinnerung der Greizer ist. Der Reprivatisierung der Papierfabrik in den 1990iger Jahren sowie dem Kauf durch die August Koehler AG und Euler GmbH & Co im Jahre 1998 ist zu verdanken, dass die Papierfabrik der Koehler Greiz GmbH & Co.KG heute der älteste, noch produzierende Standort in Thüringen ist.
Die Ausstellung wird am 13. Juli um 11 Uhr im Festsaal im Unteren Schloss Greiz eröffnet.



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